berater.de Interview mit Nils Boeffel: Digitalisierung und agile Transformation

Herr Boeffel gibt Einblicke in die Anwendung agiler Methoden, um der Komplexität in Unternehmen und dem Marktumfeld gerecht werden zu können und den Transformationsprozess in die richtige Richtung zu entwickeln.

Erzählen Sie uns ein paar Eckdaten zu Ihrer Person und Ihrem fachlichen Schwerpunkt?

Ich bin Nils Boeffel, und helfe seit ca. 20 Jahren Firmen dabei, ihre digitale Strategie, agile Transformation und andere Großprojekte erfolgreich zu planen und umzusetzen. Mein fachlicher Hintergrund in der Testelektronik kombiniert mit einem MBA bieten mir ein großes Verständnis sowohl für technologische als auch Business-Herausforderungen, und ermöglicht mir erfolgreich an der Schnittstelle zwischen beiden zu agieren.

Warum haben Sie sich entschieden als freiberuflicher Berater tätig zu werden? Warum auch auf berater.de?

Als Berater reizt es mich, Lösungen für komplexe Probleme zu finden, vielfältige Fragestellungen zu bearbeiten, und interessante Personen und Organisationen zu entwickeln. Als Freiberufler bin ich unabhängig, und kann gemeinsam mit dem Klienten den richtigen Weg definieren und diesen praxisnah umsetzen. berater.de ist dafür eine geeignete Plattform die vom Stellenwert und ihrer Reichweite her viele interessante Projektmöglichkeiten bietet.

Wie kam es dazu, dass Sie sich auf den Bereich Digitalisierung und agile Transformation spezialisiert haben?

Ich möchte, dass Dinge funktionieren, daher ist mein Motto „Making Transformation Succeed.“ Digitalisierung ist notwendig, um mit den Marktentwicklungen mithalten zu können, und eine agile Organisation kann schneller auf Veränderungen reagieren.

Die beiden Themen digitale Strategie und agile Transformation haben mich am meisten interessiert, da sie eine wesentliche Basis bieten, um den Herausforderungen einer sich immer schneller verändernden Welt zu begegnen.

Welches sind aus Ihrer Sicht die 3 größten Herausforderungen in diesem Bereich?

  1. Dem konstanten Wandel begegnen
  2. Kundenbedürfnisse enger mit den Unternehmenszielen verknüpfen
  3. Den Fokus auf die notwendigsten Kernkompetenzen des Unternehmens richten

Warum finden Sie genau diese Herausforderungen am relevantesten?

  1. Der ständige Wandel ist die einzige Konstante im Leben. Nur wenn man sein Unternehmen diesbezüglich agil und veränderungsbereit aufstellt, kann man in der Zukunft wirtschaftlich erfolgreich sein. Digitalisierung spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie Transparenz schaffen und Prozesse beschleunigen kann.
  2. Der Kunde stellt immer höhere Erwartungen an Unternehmen. Er erwartet keine Produkte mehr, sondern Lösungen für sein Problem. Er will nicht nur als Kunde, sondern vermehrt auch als Individuum wahrgenommen werden, mit personalisierten / angepassten Produkten, einer persönlicheren Ansprache, usw. Der Kunde kann der beste Markenbotschafter (via Influencer) für Unternehmen werden, die dies erkennen und umsetzen.
  3. Jedes Unternehmen ist Teil eines globalen Netzwerkes. Die Zeiten, wo Unternehmen alles aus einer Hand produzieren und bieten konnten, sind vorbei. Ein erhöhter Fokus auf Kernkompetenzen ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, erfolgreich zu sein und Zeit und Energie in die wesentlichsten und wichtigsten Themen zu investieren.

Welche Wichtigkeit haben Transformationsprojekte in heutigen Unternehmen, gerade hinsichtlich der aktuellen Marktlage während Corona?

Situationen wie die aktuelle Pandemie zeigen wie wichtig es für jedes Unternehmen ist, schnell und flexibel auf eine sich verändernde Umwelt reagieren zu können. Dabei ist eine gesunde Transformationskultur hilfreich, blinder Aktionismus jedoch ein Risiko. Krisen wie diese bieten immer auch die Chance neue Wege zu gehen, um das Unternehmen weiter zu entwickeln. Wer den Mut zu notwendiger Transformation hat, wird stärker aus der Krise hervorgehen.

Das Thema agile wird immer wieder im Zusammenhang mit Transformation gebracht. Was für eine Rolle spielt der Einsatz von agilen Arbeitsmethoden im Transformationsprozess?

Agile Methoden sind vor allem dann sinnvoll, wenn die Komplexität im Unternehmen und Marktumfeld steigt. Komplexe Sachverhalte beinhalten eine große Dynamik, und Zusammenhänge zwischen Prozessen, Themen und Unternehmensbereichen sind unübersichtlich. Agile Methoden eignen sich dazu komplexe Probleme in kleine konkrete Schritte herunterzubrechen, deren Ergebnisse jeweils einen konkreten Nutzen für Kunden und Unternehmen haben. Somit kann immer sichergestellt werden, dass der Transformationsprozess sich in die richtige Richtung entwickelt.

Bietet agiles Projektmanagement immer einen Mehrwert für Unternehmen? Oder hängt das sowohl vom Unternehmen und seinen Prozessen, als auch von der Art agiler Methoden ab?

Organisationen befinden sich immer in einem von zwei Zuständen: Einem stationären Zustand (erfordert Verbesserungen und kleinere Veränderungen) oder Wandel (erfordert größere Veränderungen).

Wenn Sie sich in einem stationären Zustand befinden, den Sie schrittweise verbessern wollen, d. h. etwas optimieren vs. revolutionieren, ist es sinnvoller, sich mit Lean Six Sigma-Methoden zu befassen. Diese dienen der schrittweisen Prozessverbesserung und -optimierung, um die Stabilität zu erhöhen, die Effizienz zu verbessern oder die Produktivität schrittweise zu steigern.

Wenn sich eine Organisation drastisch verändern will, Dinge anders machen oder etwas völlig Neues tun möchten, sind agile Methoden sehr sinnvoll. Sie können Ihnen helfen, so ressourcen- und zeiteffizient wie möglich von Zustand A nach B zu gelangen. Agile Methoden können sowohl im kleineren Rahmen als auch unternehmensweit eingesetzt werden (z.B. SaFE, LeSS, usw.). Wählen Sie das richtige Werkzeug für die anstehende Aufgabe.

Was werten Sie als die größte Herausforderung eines Transformations- bzw. Digitalisierungsprojektes?

Die größte Herausforderung ist es, die richtigen Hebel zu finden, die zu einer wesentlichen Veränderung führen. Es gibt immer unendlich viele Themen, die man anpacken möchte. Das Wichtigste ist, eine klare (Markt-)Strategie zu entwickeln, die auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen abzielt. Strategie bedeutet dabei immer zu entscheiden, in welche Themen man KEINE Ressourcen mehr investiert. Ein klarer Fokus und konsequente Priorisierung sind der Schlüssel zum Erfolg.

Wenn Sie eine Transformation in Abschnitte aufteilen sollten, welche wären es?

  1. Treiber: Erkennen, dass eine Veränderung im Unternehmen notwendig ist, und welche externen Gründe dafür verantwortlich sind
  2. Strategischer Fokus: Verstehen, wie sich die Marktsituation auf die Unternehmensstrategie und Kernkompetenzen auswirkt
  3. Transformation: Planen welche Veränderungen notwendig sind und durchgeführt werden müssen
  4. Kultur: Sicherstellen, dass Veränderung als Teil der Unternehmenskultur etabliert wird

Gibt es Branchen, in denen eine Transformation leichter durchzuführen ist und wenn ja, warum?

Ein flexibles Mindset in der Organisation ist unabhängig von der Branche eine gute Voraussetzung für eine Transformation. Branchen, die technologienah sind, tun sich generell leichter, ebenso wie jüngere Unternehmen oder Unternehmen, die bereits mehrere Transformationen hinter sich haben. Ältere Unternehmen, die lange ein stabiles Geschäftsmodell ohne großen Wandel betrieben haben, sind oft in festen Strukturen verankert. Wenn allerdings die Führungsebenen erkannt haben, dass ein Wandel notwendig ist, und bereit sind diesen voranzutreiben und persönlich zu unterstützen, ist eine Veränderung in jedem Unternehmen möglich.

Wie lange dauern im Durchschnitt Ihre Transformationsprojekte und welche Faktoren beeinflussen die Dauer?

Hier sprechen wir von Monaten bis Jahre. In einigen Monaten können Prozesse oder Organisationsbereiche umgestellt werden, der grundlegende kulturelle Wandel, der von sich aus Veränderungen fordert und vorantreibt, dauert eher länger. Die Unterstützung des Top-Management hat auf Dauer und Erfolg einen großen Einfluss.

Welche sind Ihrer Meinung nach die 3 Beratungskompetenzen, die in den nächsten Jahren die höchste Nachfrage bei Transformations- und Digitalisierungsprojekten genießen werden?

  1. Komplexität meistern und reduzieren. Unternehmen und deren Umfeld werden immer komplexer. Nur wer es schafft die wesentlichen Aspekte zu erkennen, Treiber zu identifizieren, und Themen zu vereinfachen kann praktikable Lösungen anbieten.
  2. Priorisierter Pragmatismus. Es gibt immer zu viel zu tun. Die Kunst ist, die wichtigsten Themen heraus zu kristallisieren, und mit dem geringsten Aufwand weitmöglichst zu lösen – „Perfekt“ ist hier der Feind von „gut genug“.
  3. Zuhören und Kommunikation, auf allen Unternehmensebenen. Der Berater wird niemals das Unternehmen so gut wie seine Führungskräfte verstehen, und wird Probleme bei der Umsetzung von Projekten nie so gut identifizieren können wie die davon betroffenen Mitarbeiter. Von größeren Transformationen und vom kulturellen Wandel im Unternehmen sind ALLE betroffen. Jeder der nicht ausreichend informiert ist geht sonst seinen eigenen Weg, was Veränderungen behindert.